Ein Strohhaus braucht Platz
Sarah steckte in zusätzlichen Studienjahren als Naturheilpraktikerin und Homöopatin, Giusep nach der Ausbildung zum Landwirt in derjenigen zum Betriebsleiter und Meisterlandwirt, als sie über eine Bekannte vom Architekten Werner Schmidt in Trun hörten, der sich nun mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen im Bau von Strohballenhäusern den Wünschen von Sarah und Giusep nach autarkem Wohnen annahm.
«Ein sinnvoller Umgang mit uns und der Umwelt ist uns wichtig», fasst Sarah ihre gemeinsame Philosophie zusammen, die schliesslich ausschlaggebend war zum Entscheid für die Bauweise mit Stroh. Ein Strohhaus hat wegen der Dicke seiner Mauern einen höheren Platzbedarf. Aber auch das war auf Pardatsch kein Problem. «Platz hatten wir hier ja genug», sagt Giusep und lacht.
Das Abenteuer «Strohballenhaus» beginnt
2009 wurde in der Landwirtschaftszone der neue Laufstall gebaut. Das ermöglichte die Bewilligung für die Errichtung des Wohnhauses. Baubeginn war im Oktober 2010. Da Bündner Stroh nicht zu finden war, liessen Sarah und Giusep die Ballen aus Süddeutschland kommen. Sie seien alle unbehandelt, einzig die einzelnen Fasern seien länger geschnitten als bei üblichen Ballen, erklärt Giusep. Ganz wichtig sei, dass sie trocken seien und bis zum Einbau auch trocken bleiben, fügt er hinzu. Sie wurden deshalb gut abgedeckt im bereits gebauten Stall untergebracht. «Das Haus ist eigentlich eine Box aus Stroh», führt Giusep weiter aus. Auf den Betonboden kamen Holzbalken, darauf die Strohballen. Der Fussboden ist durchgängig durchs ganze Haus wiederum eingefärbter Beton. Die Aussenwände bestehen aus Strohballen, die tragenden Innenwände sowie die Fensterrahmen aus vorgefertigten Holzrahmen. Auch für die Dachisolation wurde Stroh verwendet und die Fensterfront gegen Süden mit einer Dreifach-Isolierverglasung versehen. Für den Innenausbau entschieden sich Sarah und Giusep für Holz und luftgetrocknete Lehmziegel. Zwischen Ziegelwänden wurde Schafwolle zur Lärmdämmung eingefüllt. Auf die Aussenwände kam erst ein Grundputz, darauf weisser Kalk. Und die Feuerpolizei? Giusep lacht: «Die hatte kein Problem, das Stroh ist ja gut eingepackt.»
Eine Stunde Sonne für fünf Tage Wärme
Sarah kommt nun nochmals aufs Wohnklima und den Komfort zu sprechen. «Die Wände sind atmungsaktiv und die Lehmwände neutralisieren Feuchtigkeit und Gerüche», erklärt sie. Da sie kaum heizen würden, trockne auch die Luft nicht aus. Das ergebe eine sehr angenehme Atmosphäre, sagt sie. Auch wenn in ihrer und der angebauten Ferienwohnung je ein Specksteinofen steht, werden diese bei Gliotts selten eingefeuert. Das besorgen die grosse gegen Süden liegende Fensterfront und die Sonneneinstrahlung. Eine Stunde Sonne pro Tag würde die Raumtemperatur für fünf Tage halten, auch im Winter, weiss sie inzwischen aus Erfahrung. Das Holz für die Öfen, ungefähr ein Ster pro Jahr, stammt aus dem eigenen Betrieb. Nahe ans autarke Wohnen kommt das Paar auch mit der eigenen Wasserquelle, der Sonnenkollektoranlage für Warmwasser und der Membranfilter-anlage für die Entsorgung des Schmutzwassers. Die 2014 erbaute Photovoltaikanlage im Netzverbund auf dem Dach des Freilaufstalles erzeugt ein Mehrfaches an Elektrizität, als verbraucht wird. Mit einer entsprechenden Batterieanlage könnte der Hof komplett von öffentlichen Netzen abgekoppelt werden.
Wir machen mit Giusep noch einen kleinen Rundgang durchs Haus. Er zeigt uns einen Gewölbekeller aus Trockensteinmauern. Die Steine habe er während des Baus aus dem Aushub genommen und so weiter verwendet, sagt er. Auffallend sind die im ganzen Haus verteilten alten Bauernmöbel, eine Leidenschaft von Giusep. Viele davon stammen aus seinem Elternhaus, welches inzwischen verkauft ist. Weitere hat er in einem leer-stehenden Stall gelagert. Im Schober neben dem Laufstall, wo jetzt die Galloway-Rinder lautstark ihren ersten Gang auf die Bergwiesen fordern, möchte er damit einmal ein kleines Museum einrichten.