Ein Quereinstieg
Doch Christian Widmer war nicht immer Restaurator: «Ich besuchte nach der Kochlehre und zwei Jahren auf dem Kochberuf die Schnitzerschule in Brienz und wurde dort eidgenössisch diplomierter Holzbildhauer. Dort lernte ich die Handhabung der Maschinen, lernte, wie man die Oberflächen behandelt, den Umgang mit der Kettensäge. Wenn ich jetzt ein passendes Stück Holz und Zeit hätte, könnte ich eine Kuh schnitzen. Dann kam ich zu Holzrausch und begann als Möbelschreiner, zum Erlernen des Restaurierens ging ich zu Restaurator Max Rüedi.» Ein Praktikum beim Restaurator, der auch für die Denkmalpflege arbeitete, sollte seine weitere Berufslaufbahn bestimmen. «Dort lernte ich, alte Bündner Möbel zu restaurieren, alte Türen, Böden, Decken, Truhen, Schränke, Gänterli.» Wie er dabei vorgeht? «Erst wird alles auseinandergenommen und angeschrieben, damit man später weiss, wie das Werkstück wieder zusammenzusetzen ist. Dann werden die einzelnen Teile geflickt. Was nicht mehr da ist, wird ersetzt. Danach wird das Werkstück wieder zusammengebaut.» Zum Schluss gehe es an die Oberfläche. «Sie wird gewaschen und danach so bearbeitet, dass der Charakter herauskommt.» In diesem Objekt hier etwa sind es nicht nur Böden, Decken, Wände und Türen, an denen Widmer arbeitet, das Team von Holzrausch übernimmt nach Evaluation mit dem Kunden zusammen auch die Möblierung der Räume mit ausgesuchten Bündner Bauernmöbeln.
Der Fundus entscheidet
«Holzrausch hat einen grossen Möbel- und einen riesigen Materialfundus – wir retten teilweise die Baumaterialien vor dem Verschwinden.» Christian Widmer sagt stolz: «Wir haben so viel, dass ich das ganze Jahr Ostern habe.» Soll heissen, dass er dauernd etwas sucht. «Man sucht immer wieder Teile, jeden Kloben, jeden Riegel in der Holzart, die man braucht. Du hast eine Originaltür, wo eine Leiste fehlt, da musst du eine Leiste suchen, die zur Tür passt. So eine Eingangstür, das verlangt schnell einmal vier bis fünf Tage Restaurationsarbeit. Die Türe, das Futter und den Türrahmen suchen und aufeinander anpassen, die Beschläge, das Schloss – und es ist bei jeder Tür anders. Ich mache das jetzt bald 15 Jahre. Trotzdem kann ich noch nicht sagen, für diese Tür brauche ich so und so lang. Denn die Umstände sind nie dieselben. Die Projektleitung fragt mich oft, wie lange benötigst du – ich muss dann immer sagen ‹zirka›. Manchmal bin ich schneller, dann wieder brauche ich mehr Zeit. Man hat ein Stübli, baut das Täfer aus. In diesem Augenblick weiss man noch nicht, ist es genagelt, gesteckt, geleimt, das kann man erst sehen, wenn das Täfer entfernt ist. Erst da stellt sich heraus, ob es geschiftet werden muss, ob die Rückwand auch noch erst befestigt werden muss. Ich hatte schon Holz, das von vorn intakt wirkte, das aber zerfiel wie Sägemehl, als ich es auseinandernahm. Man sieht also nicht immer, was dahinter zum Vorschein kommen wird. Dann ist der Aufwand grösser als geplant.» Gleichzeitig ist jeder Eingriff eine Gratwanderung zwischen wiederherstellen und neu machen.