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IM BAUFENSTER BEWEGEN.


Bauberatung kommt in jener Phase zu Tragen, wo es in der Regel um raumplanerische und strategische Fragen und Gedanken der baulichen Entwicklungen eines Dorfes oder Verdichtungsfragen in bestehen­den Bauzonen geht. Bei konkreten Baugesuchen res­pektive beim Einzel­­objekt/Quartier sind vielfach neutrale gestalterische Beurteilungen gewünscht und notwendig. Auftraggeber sind meist Gemeinden, welche vor unterschiedlichsten Herausforderungen stehen. Albertin Partner Architekten in Chur haben sich nebst ihren öffentlichen und privaten Bauprojekten auf solche Aufgaben spezialisiert.


Text: Fridolin Jakober

Bilder: Albertin Partner Architekten

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Es gibt beim Bauen eine Konstante, nämlich, dass Gesetze und Regulierungen ständig zunehmen und sich verändern. Die Baubehörde ist meistens der Gemeindevorstand – also eine Milizbehörde, deren Mitglieder vom Volk aus politischen Überlegungen für diese Aufgabe gewählt wurden. Deshalb sieht das kant. Raumplanungsgesetz in Graubünden vor, dass die Baubehörde und die Bau- und Planungskommission der Gemeinde externe Fachleute zur unabhängigen und vertieften Beurteilung und Bearbeitung von rechtlichen, technischen oder gestalterischen Fragen beiziehen können. So kann das politisch Gewollte und das architektonisch Machbare im Rahmen der Gesetzgebung ausgelotet werden.


Externe Beratung

Robert Albertin und Sara Cadonau von Albertin Partner Architekten in Chur beschäftigen sich mit solchen Bauberatungen. Robert Albertin war von 2007 bis 2016 im Gemeinderat von Haldenstein und arbeitete in einem Teilzeitmandat sieben Jahre in der Stadtentwicklung der Stadt Chur, kennt also die Bedürfnisse und Probleme einer Exekutivbehörde aus eigener Erfahrung. «Ich habe unter anderem als Gemeinderat die Revision des Zonenplanes und Baugesetzes in Haldenstein geleitet. Hier ist die Gemeinde auf verschiedenen Ebenen neue Wege gegangen.» Seither wird Robert Albertin von einer wachsenden Zahl von Gemeinden als Bauberater oder bei Architekturwett­bewerben als Jurymitglied beigezogen. Schübelbach, Siebnen, Buttikon, Domat/Ems, Flims, Wartau, aber auch kleine Gemeinden wie Donat-Wergenstein, Almens und Vals – sie alle stehen vor teilweise komplexen planerischen Aufgabenstellungen. Seine frühere Lehrtätigkeit als Assistent an der ETH Zürich und seine jetzige Dozentenstelle an der HTW Chur erlauben ihm ein schnelles Erfassen der Fragestellungen.

Wenn es um Bauten im Dorfkern geht, müssen in der Regel die Behörden der Gemeinden externe Berater beiziehen. Will eine Gemeinde kontrolliert wachsen oder steht sie vor eigenen Infrastrukturprojekten, zieht sie den Bauberater hinzu, um den Planungsprozess effizienter zu gestalten und der Legislative sinnvolle Varianten vorzuschlagen. Dort, wo die Gemeinde selbst Auftraggeber ist, etwa bei einem Schulhausbau, prüft sie meistens, welche Rahmenbedingungen für ihr Projekt gelten und sinnvoll sind. Hierzu erstellen Albertin Partner Machbarkeitsstudien mit Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Visualisierungen, die als Grundlage zur strategischen Weichenstellung dienen.


Lesbarkeit schaffen

«Gerade wenn eine Gemeinde selber Bauland hat und es – etwa für verdichtetes Bauen – parzelliert, um es Bauherren zur Verfügung zu stellen und damit zu wachsen, will sie auch eine übergeordnete gestalterische Ordnung schaffen, die das Quartier lesbar macht und ihm einen ortstypischen Charakter gibt», sagt Robert Albertin. «Wenn die Volumen und die Erschliessung etwa in einem Quartierplan sinnvoll geplant sind, können Bauherren und Architekten sich in diesen Rahmen­­be­dingungen frei bewegen.» Vielfach kann die Gemeinde bei einer sorgfältigen und landschaftsschonenden Planung einen Ausnützungsbonus erteilen. Nebst den ortstypischen Vorgaben der Bebauungsstrukturen (Baufenster) und einer umsichtigen Erschliessung gibt es einen detaillierten Beschrieb mit den gestalterischen Auflagen. «Im Hintergrund dieser Arbeit steht oft eine Analyse des Dorfes», so Albertin.

Mit einer Machbarkeitsstudie will die Gemeinde bei eigenen Projekten wissen, was möglich ist und welche Varianten es gibt, um nachher die sinnvollen nächsten Schritte zu planen und Planungskredite zu beantragen. Vielfach stehen bei solchen Fragen zuerst strategische Überlegungen im Vordergrund, sodass zuerst die architektonischen, siedlungsplanerischen und funktionalen Aufgaben gelöst werden müssen, bevor die Zusammenarbeit mit Raumplanungsbüros und weiteren Fachexperten erfolgt.


Gemeinde Schübelbach, Luftaufnahme: Die Gemeinden Schübelbach, Siebnen und Buttikon überprüfen ihre Schulraumplanung,  wo und welche Neubauten in den bestehenden Liegenschaften ergänzt oder umgenutzt werden können.Almens, Modell und Luftaufnahme des Dorfes: Am Rande des Dorfes ging es darum, eine ortstypische, nachhaltige Dorferweiterung mit  verschiedenen Machbarkeitsstudien und Analysen der Gemeinde und Baugenossenschaft vorzuschlagen.Kreuzgasse Chur, Arbeitsmodell und Situationsplan: Machbarkeits­studien und Kostenberechnungen sollen aufzeigen, welche Bebauungsstrukturen sich am besten einordnen und umgesetzt werden können.Schluein, Modell und Gestaltungsplan: Varianten von möglichen und verdichteten Bebauungsmustern in Kombination mit  der Erschliessung wurden evaluiert.

Planungsaufgaben

Wie unterschiedlich das geschehen kann, zeigt eine Auswahl von Projekten des Büros. In Almens etwa bestand die Aufgabe darin, für das Areal Pardieni mit einer Gestaltungskonzeptpflicht belegten Parzelle Nr. 1032 einen Arealplan zu entwerfen, im Quartier Claus in Schluein dagegen wurde ein Gestaltungsplan erarbeitet, der die Realisierung von acht Einfamilienhäusern ermöglicht. Der Plan regelt die Positionen der Bauvolumen, Garagen etc., die gestalterischen Bedingungen für die Parzellierung und den Umgang mit den Grenzen. Für eine Arealüber­bauung an der Kreuzgasse Chur wurden Lösungsansätze mit verschiedenen Mehrfamilienhaustypen und Etappierungsmöglichkeiten geprüft. Für das Neubauquartier Prapafier in Wartau wurden die Erschliessung und Parzellierung der unbebauten Grundstücke sowie die sinnvolle Weiterführung der vorhandenen Infrastruktur überlegt. Für einige Gemeinden haben sie Machbarkeitsstudien von Schulhäusern erstellt, die als Basis für weitere Planungsschritte dienten. Die Arbeiten zeigen verschiedene und in der Bearbeitungstiefe unterschiedlichste Lösungsansätze auf.

Im Fokus bei diesen Aufgaben liegen stets das grosse Ganze und die Suche nach logischen und selbstverständlichen Antworten auf die Fragestellungen. «Diese strategische Ebene macht Spass – sie steht auch bei unseren Architekturaufgaben zuerst im Fokus», sagt Albertin. «Wir arbeiten hier eng mit den Gemeinden zusammen.» In der Regel hinkt zwar die strategische Planung der Gemeinden der tatsächlichen Entwicklung hinterher. «Aber es gibt Gemeindepräsidenten, die spüren, welche Herausforderungen auf die Gemeinde zukommen. Hier wollen wir mit unseren Kompetenzen und Erfahrungen unterstützend nach Lösungs­ansätzen suchen.» Dass der Bauberatung die Arbeit ausgeht, steht nicht zu befürchten. Denn wegen der vielen Veränderungen und der steigenden Komplexität der Raumplanungs- und Baugesetze sowie der gestalterischen Fragen zur inneren Verdichtung erhöht sich der Druck auf die Exekutive.­


Nach einer Lehre als Hochbauzeichner und dem anschliessenden Diplom als Architekt HTL/FH arbeitete Robert Albertin bei Gioni Signorell in Chur sowie bei Burkhalter und Sumi in Zürich. 1996 gründete er sein eigenes Architekturbüro und war gleichzeitig bis 2000 Assis­tent bei Prof. Axel Fickert an der ETH Zürich. 2004/2005 absolvierte er den Nachdiplomkurs Bestellerkompetenz und Gesamtleitung im Bauwesen an der FH Winterthur. Von 2005 bis 2012 hatte er eine Teilzeitstelle als freier Mitarbeiter bei der Stadtplanung inne, von 2007 bis 2016 war er Mitglied im Gemeinderat von Haldenstein. Hier, aber auch als Expertenbeirat regionale Verdichtungsstudie Agglomeration Chur (2013) sowie im Begleitgremium Evaluation und Neuorganisation öffentlicher Bauten und Schulen Schübelbach (seit 2016) und seit 2017 als Expertenbeirat beim Neubau Mehrzweckhalle und Schuler­weiterung Vals brachte und bringt der dipl. Architekt FH/SIA/SWB/FSU sein Know-how in Bauberatung und Raum­entwicklung ein. Seit 2008 ist Albertin Entwurfsdozent an der HTW Chur, seit 2017 ist er hier zudem Fachbeirat.


Robert Albertin